Die Leser vor Augen

«So geht Korrespondenz. Das Beste für Ihre E-Mails und Briefe». Der Titel des neuen Ratgebers von Angelika Ramer weckt hohe Erwartungen. Und erfüllt sie. Die Expertin für schriftliche Dialogsprache und Autorin mehrerer Schreibratgeber zeigt mit vielen Beispielen aus der Geschäftskorrespondenz auf, was erfolgreiche schriftliche Kommunikation auszeichnet: kurze Texte, klare Inhalte und eine verständliche adressatengerechte Sprache. Aber nicht nur: Ebenso wichtig, so die Autorin, sei die Beziehung zum Leser und das Persönliche in Mails und Briefen: «mehr Nähe, weniger Distanz; mehr Mensch, weniger Unternehmen; mehr Verbindlichkeit, weniger Oberfläche».

 

Dialogsprache

Angelika Ramer plädiert für eine ehrliche und direkte Dialogsprache, die möglichst ohne Floskeln auskommt. Texte gelingen und zeigen dann Wirkung, wenn wir an den Leser, an die Leserin denken. Und wenn wir uns an der gesprochenen Sprache orientieren. Wir sagen, was wir zu sagen haben, wir formulieren unsere Anliegen in angemessener Tonalität und wir verzichten auf sperriges Bürokratendeutsch. Wichtig ist also, dass wir überlieferte und verbrauchte Formulierungen hinterfragen und allenfalls ersetzen.

 

Neues

Schnell zum Punkt kommen, den Leser nicht mit überflüssigen Einleitungen langweilen und ihn ansprechen. Angelika Ramer schreibt: «Eine Grundhaltung, die sich in der gesamten Dialogsprache in E-Mails und Briefen zeigt: Wir sprechen die Dinge an und bewerten sie nicht. Und: Wir sagen unseren Lesenden etwas Neues.»

 

Die Sprachexpertin veranschaulicht ihre Ausführungen mit starken Beispielen, zeigt Varianten und Verbesserungen auf. Und immer wieder wird klar: Es geht nicht nur um Sprache, sondern eben auch um Beziehung. Wie erreiche ich mein Gegenüber? Wie kommuniziere ich, ohne den Adressaten vor den Kopf zu stossen? Was bewirkt eine zu direkte Sprache, was langwierige Ausführungen? «Besser nicht: Leider musste festgestellt werden, dass für die Zahlung der falsche Einzahlungsschein verwendet wurde. Besser so: Ihre Zahlungen können wir nur mit der korrekten Referenznummer verbuchen. Verwenden Sie bitte den neuen Einzahlungsschein, vielen Dank».

 

Spontaneität

Verbal formulieren, das Passiv zurückhaltend verwenden, Adjektive kritisch prüfen und den Leser ansprechen – das zeichnet verständliche und leicht lesbare Mails und Briefe aus. Und die immer gleichen Floskeln vermeiden. «Wir nehmen Bezug auf....», «Gemäss Ihrer Anfrage vom....», «Wir bitten um Kenntnisnahme.», «Gerne stehen wir für allfällige Fragen zur Verfügung»: Diese Wendungen sind verbraucht und stereotyp. Ramer führt aus: «Das Freudlose ist das Schlechte an Floskeln. Menschen bleiben in ihrer Einzigartigkeit, ihrem Witz ungesehen. Und Unternehmen bleiben auch im Verborgenen. Standardtexten fehlt es an allem, was Lesende mögen: Abwechslung, Spannung, Neuigkeiten, Freundschaft. Also: Weg von Download, hin zu mehr Spontaneität.» «Mensch vor Standard», nennt die Autorin die Grundhaltung, die gute Korrespondenz ausmacht.

 

Angelika Ramer macht sich stark für überlegtes Schreiben, verdichtete Texte, bildhafte Sprache, Vielfalt, Perspektivenwechsel und Authentizität – informative Briefe und Mails, die gerne gelesen werden. Die Überschriften der Kapitel lauten: «Direkt schreiben – soll man, darf man? Klartext mit Feingefühl wirkt gut.»; «Ist kurz unhöflich? Wörter erzeugen die Stimmung, nicht die Länge der Sätze»; «Der Zauber des ersten und letzten Satzes. Fulminant beginnen und präzise aufhören»; «Das Gute und das Schlechte an Floskeln. Nichts gegen Blümchen, nur frisch müssen sie sein»; «Appellieren oder informieren? Wir schreiben für Erwachsene – meistens»; «Das Marketing und die Korrespondenz. Schreiben wir für Menschen oder für das Produkt?»; «Das geht gar nicht! Über die Wirkung von Füll-und Unwörtern».

 

Tipps

Der Ratgeber, mit dem Untertitel «best of Angelika Ramer», ist relativ kurz und übersichtlich. Auf wenigen Seiten findet man viele Beispiele aus ganz unterschiedlichen Textsorten und nützliche Tipps zur Korrespondenz. Wer sie berücksichtigt, macht die Erfahrung, wie reich und wie ausdrucksstark Sprache auch in Alltagstexten sein kann und dass Kreativität in der Korrespondenz durchaus gefragt ist. Und man erfährt, dass Schreiben auch Spass machen kann, sofern man Neues wagt. Die Leser werden es einem danken.

(erschienen in Context 4/16)

 

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Die Leser vor Augen
Eine Besprechung des neuen Buches von Angelika Ramer.
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Kommentare: 6
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